Montag, 4. Mai 2009

Gelesen: Kaddisch vor Morgengrauen

Eigentlich mag ich Michel Friedmann nicht. In den wenigen Auftritten, die ich von oder mit ihm im Fernsehen sah, kam er mir oft so glatt, spitzzüngig und verletzend vor. Ich hätte nicht sein Talk-Gast sein mögen.

In der letzten Diskussion über den Gazakrieg Israels liess er oft die anderen Studiogäste nicht ausreden, griff ziemlich hart an. Nein, ich mochte ihn bisher nicht so richtig…

Aber letztens frug mich ein Kollege: “Sag mal, kennst du eigentlich das Buch, was der Friedmann geschrieben hat?” – “Was, der hat ein Buch geschrieben?” – “Ja, es handelt – obwohl nicht  autobiografisch – auch von seiner Familie und welche schweren Zeiten sie durchgemacht haben.”

Dann brachte er mir dieses Buch mit. Am selben Abend las ich es schon fast durch. Kurze Kapitel. Sehr knappe Sätze mit stark formulierten Gedanken. Friedmann sagt von sich:
“Ich bin aufgewachsen auf einem Friedhof. Als kleines Kind habe ich gefühlsmäßig, später auch im Wissen feststellen müssen, dass fast fünfzig Menschen, Onkel, Tanten, Cousins, Cousinen meiner Familie tot sind, ermordet von Deutschen. Und meine Mutter, mein Vater, meine Großmutter die einzigen Überlebenden waren. Das prägt.”