Samstag, 31. Juli 2010

Krokodil im Nacken

so heisst ein buch, welches zwar schon 2002 erschienen ist, ich aber erst jetzt entdeckt habe. beim letzten familientreff kamen wir auf das thema, und mein schwager erzählte davon...
heute habe ich es zu ende gelesen. 800 seiten. das leben eines jungen mannes nach dem krieg, schwere kindheit. in berlin aufgewachsen, pendelte zwischen ost und west, als es noch möglich war. später kinderheim, ausbildung, jung geheiratet, studium neben dem beruf, armee (18 monate), 2 kinder.
und dabei wird in dieser autobiographie sehr filigran und meiner meinung nach auch sehr gut damalige gesellschaftsverhältnisse in deutschland ost geschildert. die überall vorherrschende ideologisierung der bevölkerung im real existierenden sozialismus, die beschneidung von vorrechten, wenn kritisch hinterfragt wurde.
beim fluchtversuch über bulgarien wurde die familie mit 2 kindern geschnappt (der tipp kam aus dem westen!), untersuchungsgefängnis zuerst im stasiknast hohenschönhausen. sehr datailliert werden die gespräche bei den vernehmungen erzählt. sehr eindrücklich die agitationsversuche, die jungen leute für die ddr zurück zu überzeugen.
und dann die gerichtsverhandlungen - eine farce der rechtssprechung.
gefängnis in cottbus - mit allen schikanen, einschnitten ins persönliche leben. es schüttelt einem beim lesen...
und dann der loskauf (~90.000,- dm/person) , vermittelt durch den damals noch streng geheim gehaltenen rechtsanwalt dr. vogel. auch da berührte mich das happy end sehr, obwohl die kinder erst über ein jahr später auch übersiedeln durften.

vieles, sehr vieles konnte ich aus eigenem erleben nachvollziehen. die gruppenmanipulationen in der schule, wenn man nicht zu den "jungen pionieren" gehörte, später auch nicht in die "freie deutsche jugend" eintrat, geschweige denn in DIE partei, die sed...
die repressalien in der lehre, die ständigen "bekehrungsversuche", sein christsein zu lassen. oder die folgen: keine aufnahme an der eos (erweiterten oberschule, heute gymnasium).
die versuche auf der arbeitsstelle, sich dem "kollektiv" anzupassen, das programm der regierung mitzumachen...

wie gesagt, es hat mich ganz stark mitgenommen, dieses buch. vieles wieder aufgewühlt. und mich auch zeitweise wieder wütend gemacht, wie solche diktatorischen systeme letztendlich funktionieren - und man als einzelner sich so hilflos fühlt.
gott sei dank kam 1989 die wende - und ich staune heute noch, wie ER das fertiggebracht hat, dass ein volk wieder zusammengerückt ist. mit schwierigkeiten - ja! aber in freiheit! darüber bin ich froh!!!
(meine frau will sich das buch nicht "antun", was ich auch gut verstehen kann.